#MerzMail 226: „Neoliberale Phrasen?“

02.11.2024

#MerzMail 226: „Neoliberale Phrasen?“
#MerzMail 226: „Neoliberale Phrasen?“

Die Wirtschaftskrise, in der sich unser Land befindet, erfasst immer weitere Branchen. Vor allem die Schlüsselindustrien der deutschen Volkswirtschaft sind betroffen, die Automobilindustrie ebenso wie die chemische Industrie, die Stahlindustrie, die Bauindustrie, die Elektroindustrie, der Maschinenbau und viele andere.

In großen Teilen sind die Rahmenbedingungen für die deutsche Wirtschaft nicht mehr wettbewerbsfähig. Das alles ist keine neue Erkenntnis der letzten Wochen und Monate, aber in diesen Tagen eskaliert der Streit in der Bundesregierung um die richtigen Antworten, und angesichts der bevorstehenden Wahlen in den USA wächst die Nervosität zusätzlich. Was wäre also zu tun, unterstellt, wir hätten eine handlungsfähige Bundesregierung?

Vor der Klammer aller denkbaren Antworten muss die Erkenntnis stehen, dass wir uns in einer Phase des zunehmenden Protektionismus und der Marktabschottung auf der Welt befinden, ausgelöst vor allem durch die USA und China, mit besonderen Auswirkungen auf exportorientierte Länder wie Deutschland. Die einzige internationale Institution, die dagegen vorgehen könnte, die Welthandelsorganisation WTO, ist seit Jahren lahmgelegt und faktisch nicht mehr handlungsfähig. Das „deutsche Geschäftsmodell“, nämlich preisgünstige Konsumgüter und Vorprodukte aus aller Welt, billiges Öl und Gas vor allem aus Russland, hochwertige Exporte in alle Welt und Garantien für unsere Sicherheit durch die USA, dieses jahrzehntelange Erfolgsmodell unseres Landes kommt jetzt endgültig an sein Ende. Und ganz gleich wie die Wahlen in den USA ausgehen, wird sich daran auf absehbare Zeit nichts mehr ändern. Wir sind wirtschaftspolitisch und sicherheitspolitisch auf lange Zeit auf uns selbst gestellt und von unseren eigenen politischen Entscheidungen abhängig, mehr als je zuvor in den letzten Jahrzehnten seit dem Ende des „Kalten Krieges“.

In so einer Lage müsste es eigentlich die Bereitschaft in der Bundesregierung geben, die Stärken unserer Volkswirtschaft, die es nach wie vor gibt, und die Schwächen, die jetzt immer offenbarer werden, vorurteilsfrei zu analysieren und dann schnell und gemeinsam daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Stärken liegen nach wie vor in der Leistungsfähigkeit vieler Unternehmen und in der Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Allerdings haben die Kosten durch Bürokratie, Energie und Steuern mittlerweile ein Ausmaß angenommen, das für viele Unternehmen einfach nicht mehr tragbar ist. Die Zahlen auf dem Arbeitsmarkt – 2,8 Millionen Arbeitslose, 700.000 offene Stellen und 4 Millionen erwerbsfähige Menschen im sogenannten „Bürgergeld“ – zeigen zudem, dass auch der Arbeitsmarkt nicht mehr wirklich funktioniert. Vorschläge, an diesen Einschränkungen der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft etwas zu ändern, gibt es genug. Das am Wochenende bekannt gewordene Wirtschaftspapier der FDP enthält solche Vorschläge, zum Teil wörtlich übernommen aus Anträgen, die wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den letzten zwei Jahren immer wieder in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Über Einzelheiten mag man diskutieren, aber die Vorschläge gehen in die richtige Richtung. Sie sind insgesamt auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Volkswirtschaft ausgerichtet und damit im Kern und zutreffend angebotsorientierte Wirtschaftspolitik.

Wenn der SPD dazu im Moment nicht mehr einfällt als das Verdikt von den „neoliberalen Phrasen“, dann hat dieser Teil der Bundesregierung noch einen ziemlich langen Weg vor sich, um zu begreifen, was auf der Welt spätestens seit Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine auch wirtschaftspolitisch geschieht. Die Unternehmen, die es können, werden ihre Investitionen noch mehr ins Ausland verlagern. Diejenigen, die es nicht können, wie fast der gesamte deutsche Mittelstand, und die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland, deren Wohlstand nur in Deutschland gesichert werden kann, haben aber einen Anspruch darauf, dass zur Rettung der Unternehmen und der Arbeitsplätze mehr geschieht als die Fortsetzung und Vertiefung eines Streites in der deutschen Regierung um den richtigen Kurs in der Wirtschaftspolitik. Und wie fast immer in den letzten Jahren, wenn es um diese Richtungsentscheidungen ging: Hat eigentlich der deutsche Bundeskanzler zu all diesen Themen auch eine Meinung? Und erfahren wir sie vielleicht auch irgendwann in den nächsten Tagen?

Beste Grüße

Ihr Friedrich Merz